Eine
ehemalige Bewohnerin von Balzer berichtet über die Deportation:
Es waren die Tage vom 27. Bis 30. August 1941, als endlich viele für den Kampf
ausgerüstete Soldaten durch die Straßen Balzers zogen. Sie belegten eine Schule
nach der anderen. Trotzdem träumten Schüler und Lehrer vom Beginn des neuen
Schuljahres am 1. September. Alle ahnten Schlimmes, doch niemand wusste, was es
sein würde. Erst am Sonntagmorgen, dem 31. August, verdichteten sich die
Gerüchte. Sie waren unheimlich und wurden zuerst flüsternd von Ohr zu Ohr
weitergegeben. Dann steckte der Briefträger die Nachricht in die Briefkästen,
die Nachricht mit dem Erlass des Obersten Sowjets vom 28. August in riesigen
Lettern. Die Menschen waren zunächst fassungslos. Im Nu verschwanden Gardinen und
Vorhänge von Fenstern und Türen. Zusammen mit dem Bettzeug und ähnlichen Sachen
wurden sie der Mitte der Stube zusammengepackt. Doch niemand wusste, wie es
weitergehen sollte. Der Schock saß zu tief in den Gliedern. Erst als die letzten
aus dem Wald nach Hause gekommen waren, fand man sich wieder einigermaßen. Aber
es war eine trügerische Ruhe vor der schlaflosen Nacht. Sehr bald hatte man
begriffen, dass es unmöglich war, den Abtransport in kürzester Zeit
durchzuführen. Obwohl man die Stadt vorsorglich in sieben Rayons aufgeteilt
hatte, vergingen doch Tage, bis die Karawanen mit Ochsen und Pferden und später
mit Traktoren, Lastwagen und Bussen Balzer verlassen hatten, der Arbeitstraße
entlang über die Brücke nach Achmat am Wolgaberg, von wo aus sie mit Schleppkähnen
nach Uwek gebracht wurden. Die Weiterfahrt in die Ungewissheit erfolgte in
Güterwagen mit 40-43 Mann pro Wagon. Da die Züge von bewaffneten Soldaten
begleitet wurden, erwuchs aus der Ungewissheit bald die Überzeugung, dass es
sich um eine Reise auf Leben und Tod handelte.
(HB 1955, S. 108; HB 1967/68;
HB, 1985-89, S. 88; Kirche, ev. Teil, S. 193)